Besonders wenn man fern der Lichter der Großstadt
den Sternenhimmel ansieht, kann man leicht ins philosophieren kommen. Schon
Immanuel Kant hat den gestirnten Himmel über uns bewundert:
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer
neuer und zunehmender Bewunderung…der gestirnte Himmel über mir und das
moralische Gesetz in mir.“
Und wenn wir heute, etwa 250 Jahre später, an
den Himmel blicken, bietet er uns immer noch den gleichen Anblick wie zu Kants
Zeiten: Unveränderlich und ewig scheint
der Kosmos zu sein.
Aber dieser Anblick täuscht. Er entsteht durch die
kurze Lebensdauer eines Menschen, so dass selbst viele Generationen kosmisch
nur einen Augenblick überdauern. Der Kosmos entwickelt sich, sein heutiger
Zustand hat sich vor 13,8 Milliarden Jahren gebildet und wenn die beschleunigte
Ausdehnung des Kosmos so weitergeht, dann werden in einigen hundert Milliarden
Jahren alle Strukturen durch die inflationäre Ausdehnung des Kosmos zerstört
sein.
Stellen sie sich nun einmal vor, ein Menschenleben
würde 700 Millionen Jahre dauern. Wir würden während unseres Lebens die Veränderungen
der Kontinente sehen, der Anblick der Erde würde sich ständig ändern. Unsere
Sonne wäre am Ende eines Menschenlebens sichtbar größer, auch der Radius der Mondbahn
hätte sich durch die Wirkung von Ebbe und Flut um fast 10% vergrößert.
Die Sterne würden am Himmel nicht stillstehen, sondern
wir würden die Drehbewegung unseres Milchstraßensystems erkennen und die
zufälligen Eigenbewegungen der Sterne: wie Flugzeuge an unserem Himmel würden
sie ihre Bahnen beschreiben.
Der Kosmos dehnt sich zwar aus, trotzdem aber
können nahe beieinander stehende Galaxien zusammenstoßen und miteinander
verschmelzen. Die dabei entstehenden Verformungen der Galaxien würden wir
während unseres Lebens sehen können und die Andromedagalaxie käme im Laufe unseres
Lebens 300000 Lichtjahre näher, das ist mehr als 10% ihres jetzigen Abstandes. Am
Ende unseres Lebens würden wir sie heller und größer am Himmel sehen als
während unserer Kindheit. Unsere Ur-Ur-Enkel würden sich schon auf das
Schauspiel der nahenden Verschmelzung freuen können.
Simulation des Netzwerkes aus Dunkler Materie mit Galaxienhaufen (gelb), MPA |
Wir erkennen heute, dass Galaxien an den Knoten eines gigantischen Netzwerkes aus Dunkler Materie stehen. Sie sind keine unveränderlichen Welteninseln, sondern wechselwirkende Systeme, die sich durchdringen und verbinden können.
Unser Zeitmaßstab ist nicht kosmisch, ein Menschenleben ist weniger als ein Augenblick in der Entwicklung des Universums.
Wir sollten endlich begreifen, dass wir
nicht einen festen zentralen Platz in einer ewigen Welt haben, sondern Teil
eines Prozesses sind, einer gigantischen Veränderung, dass es eine Zukunft des
Universums ohne uns geben wird, genauso wie es eine Vergangenheit des Kosmos
ohne uns gegeben hat.
Aber noch eine andere philosophische Frage ist in
den Blickpunkt der modernen Astrophysik gerückt:
Warum gibt es überhaupt etwas und nicht nur nichts?
Nun, das „Etwas“ was wir sehen, sind 300 Milliarden
Galaxien, jede mit vielen hundert Milliarden Sternen, Planeten und Gaswolken
angefüllt. Aber diese leuchtende sichtbare Materie macht nur etwa 2% der
Substanz unseres Kosmos aus. Den Rest sehen wir nicht, weil er nicht leuchtet,
weil er aus Dunkler Materie oder vielleicht sogar aus Dunkler Energie besteht.
Der „gestirnte Himmel“ über uns ist wie die Spitze
eines Eisberges, das meiste bleibt unseren direkten Blicken verborgen.
Viele Modelle der Kosmologie gehen davon aus, dass
alles aus einer zufälligen Energieschwankung vor 13,8 Milliarden Jahren
entstanden ist.
Und vielleicht ist deshalb die Frage, warum es überhaupt etwas gibt,
falsch gestellt.
Die anfängliche Energiefluktuation könnte beliebig klein,
nahezu Null gewesen sein. Und dann wäre die innere Struktur des Universums nichts
anderes als die Entwicklung des anfänglichen Nichts:
Wir leben im „Nichts“.
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